Hörsicht - Tastsicht - Neues von Andersicht
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Kiel jenseits des Augenscheins – eine Hör(ver)führung durch Kiels Innenstadt
Trau Deinen Ohren und schärfe Deine Wahrnehmung!
Einladung zu einer andersichtigen Tour durch Kiels Innenstadt!Wann und wo findet die Führung statt?
Das Datum ist variabel, aber die Uhrzeit ist gesetzt. Die Tour beginnt stets auf dem Rathausplatz vor der Kieler Oper mit dem 11-Uhr-Glockenspiel vom Rathausturm. Der weitere Verlauf ist so weit durchgeplant, dass die Gruppe ins 12-Uhr-Mittagsgeläut der Nikolaikirche hineinlaufen kann. Zum Finale werden die Gäste vom Klosterverein im Garten des Kieler Klosters erwartet.
Treffpunkt auf dem Rathausplatz ist die Stelle vor dem Opernhaus, wo das Kunstwerk „Bonne fée de la maison – Guter Hausgeist“ des estnischen Bildhauers Tauno Kangro auf einer Steinbank sitzt, direkt neben der Eingangstür zur Theaterkasse.
Ihre Tourguides
Die Gäste der Ohrentour vertrauen sich für 1,5 Stunden der Führung durch Karl Elbl und Dr. Jürgen Trinkus an.
Karl Elbl bringt jahrzehntelange Erfahrung als Pädagoge und Rehabilitationslehrer für blinde und sehbehinderte Menschen ein; er ist Leiter und Regisseur des Thalamus-Theaters.
Im Orientierungstraining für blinde Menschen sind akustische Anhaltspunkte sehr wichtig. Durch diese Arbeit und in der konkreten Vorbereitung dieser Führung entdeckte Karl Elbl zunehmend für sich auch die ästhetische Qualität von Klängen und Geräuschen. Dr. Jürgen Trinkus ist als Mensch, der nichts sehen kann, auf die Orientierung mit den Ohren angewiesen. Er arbeitete fast 3 Jahrzehnte als Mediendokumentar, vor allem für den NDR. Mit Tondokumenten zur Kieler Stadtgeschichte ist er also bestens vertraut.
Was die Teilnehmenden erwartet
Die Klänge einer Stadt sind mehr als ein zufälliges Gebräu aus Geräuschen. Eine Stadt ist eine Landschaft – auch für die Ohren. Ihre Landmarken sind die Ströme des Straßen- und Fußverkehrs, sind Wasserspiele und Glocken, sind bauliche Eigenarten mit akustischer Wirkung und sind magische Zeitfenster, die sich auftun, wenn historische Tondokumente zum Einsatz kommen. In der andersichtigen Hör(ver)führung für Kiel gibt es sogar einen Verweilplatz für eine Hörmeditation; und zum Abschluss ist Gelegenheit zur Reflexion des Erlebten an dem Ort, wo die Stadtgründung im 13. Jahrhundert sinnfällig ist.
Weil sich die Augen immer wieder gern vordrängeln, hat Karl Elbl Schlafbrillen dabei. Die sind natürlich nicht zu tragen, wenn sich die Gruppe bewegt; aber an bestimmten Verweilorten können sie das Hörvergnügen durchaus intensivieren.
Warum und wie Sie sich unbedingt anmelden sollten!
Die Teilnehmerzahl beträgt mindestens 6 und höchstens 15. Ob die Führung tatsächlich stattfindet, muss vorher entschieden werden. Daher setzen wir eine Anmeldefrist von 24 Stunden vor dem Veranstaltungstermin. Ein Grund zur Absage könnte auch sein, das extrem ungünstiges Regen- und Sturmwetter angesagt ist. Und sollte die Nachfrage erfreulicherweise das Angebot deutlich überschreiten, müssten Wartelisten erstellt werden.
Die Anmeldemodalitäten und Termine werden in Kürze veröffentlicht. Bis dahin nutzen Sie für Fragen bitte das Kontaktformular von Andersicht e. V. Die Veranstalter melden sich dann auf jeden Fall kurzfristig zurück bei Ihnen.
Danksagung
Andersicht und Kiel Marketing freuen sich auf breites Interesse! Für Ermutigung und Förderung danken wir dem Referat Kultur und Kreative Stadt! Für die Erlaubnis zur Verwendung historischer Tondokumente gilt unser Dank dem NDR! Und was wäre das Finale unserer Tour ohne das gastfreundliche Willkommen beim Klosterverein? Und nun warten wir auf Sie, dass wir Ihnen für das Vertrauen in unser Angebot einer Tour danken können, die sich ganz sicher von allen Stadtführungen unterscheiden wird, die Sie bislang erlebt haben.
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Einladung zum Workshop
Museumsarbeit hör- und tastsinnig –
Workshop zu Bestandsaufnahme und Positionsbestimmung für die Kulturelle VermittlungsarbeitDie Andersicht-Jahrestagung findet vom 28. bis 31. Oktober in Schleswig statt. Wie immer ist die Ortswahl kein Zufall. Wir suchen uns stets einen Veranstaltungsort voller hör- und tastsinniger Inspiration, um auf bisherige Arbeit zurück zu schauen und Impulse für Neues zu gewinnen.
Wenn wir in Schleswig die Kulturvermittlung in Museen und Ausstellungen in den Fokus nehmen, geht es darum, wichtige Erfahrungen und Einsichten der zurückliegenden zwei Jahre festzuhalten und mit Partnern aus der Praxis der Kunstvermittlung und Ausstellungsgestaltung zu teilen.
Neuland betraten wir sowohl beim Einsatz und der Entwicklung taktiler Anschauungsmittel in der Kunstvermittlung für blinde und sehbehinderte Interessierte als auch in der Museumsarbeit mit Fokusgruppen.
Kulturvermittlung mit Abstand – was geht? Was bleibt?
Diese Frage wird sich wie ein roter Faden durch unsere aktuelle Positionsbestimmung ziehen. In Impulsreferaten und kurzer Plenardiskussion werden drei Schwerpunktbereiche diskutiert, die nach der Mittagspause und vor einer abschließenden Fazit-Runde in Gruppen besprochen werden sollen:
- Planungs- und Entwicklungsarbeit mit Fokusgruppen;
- Taktile Veranschaulichungsmittel in der Kulturvermittlung;
- Zielgruppen übergreifende Sensibilisierung für verständliche Sprache.
Vor allem in der Zusammenarbeit mit dem Iwalewahaus Bayreuth, der Kunsthalle Kiel und der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen haben Mitglieder von Andersicht vor und während der Pandemie den Horizont und das Know-how erweitert. In unserem Workshop soll es um diese Aspekte gehen:
Und nun hoffen wir, dass möglichst viele Praktikerinnen und Praktiker aus dem Museumswesen unser Symposium als produktives Gesprächsangebot verstehen und den Termin als Möglichkeit zu Erfahrungsaustausch und weiterer Vernetzung aufgreifen.
Die Veranstaltungsdaten
- Termin: 30. Oktober 2021, 10:00 bis 16:00 Uhr
- Ort: Hotel Alter Kreisbahnhof, Königstraße 9, 24837 Schleswig
- Teilnahmegebühr: 60,– €
Anmeldeschluss ist bei Erreichen einer Teilnehmerzahl von 40.
Und hier geht es zur Workshop-Ausschreibung:
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Farbrausch
Vorbereitung einer inklusiven Ausstellung
Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf hatte sich entschieden, die monografische Ausstellung Farbrausch auch für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher zum Erlebnisraum zu machen. Das bot sich an, weil der Berliner Maler Christopher Lehmpfuhl überaus haptisch arbeitet und sich als „malender Bildhauer“ sieht. Das inklusive Angebotskonzept wird auf einer extra Service-Seite vorgestellt.
Das Erfolgskonzept Fokusgruppe
Bemerkenswert an der Entscheidung, eine maximale Zugänglichkeit für blinde und sehbehinderte Ausstellungsbesucher herzustellen, ist nicht nur, dass sie überhaupt getroffen wurde, sondern
- dass dies schon sehr frühzeitig geschah, nämlich schon zu Beginn der Vorbereitungsarbeiten zur Ausstellung;
- dass eine engagierte Kunstvermittlerin speziell mit dieser Aufgabe betraut wurde;
- dass diese die Konzeption mit einer Fokusgruppe aus Expertinnen und Exxperten in eigener Sache erarbeitete;
- dass zu dieser Fokusgruppe auch mehrere Mitglieder von Andersicht gehörten, welche verschiedene Kompetenzen einbringen konnten und
- dass die Fokusgruppe kontinuierlich und umfassend den ganzen Vorbereitungsprozess beratend begleiten durfte.
Julia Brunner, die seitens der Kunstvermittlung für die Umsetzung des Inklusionsanspruchs zuständig war, nahm im Sommer 2020 Kontakt auf zu verschiedenen Institutionen und Organisationen, um eine möglichst breite Expertise zu mobilisieren. Dies waren
- Blinden- und Sehbehinderten-Verein Schleswig-Holstein,
- Andersicht e. V. – Kompetenz für hör- und Tastsinnige Projektarbeit,
- Landesförderzentrum Sehen Schleswig,
- Deutscher Verein der Blinden- und Sehbehinderten in Studium und Beruf, Bezirksgruppe Schleswig-Holstein sowie
- Capito Schleswig-Holstein.
Seit August 2020 war die Fokusgruppe durch in der Regel monatliche Zusammenkünfte in den gesamten Erstellungsprozess der Inklusionsmaßnahmen einbezogen – zunächst in Präsenzveranstaltungen und dann – pandemiebedingt – per Zoom-Konferenzen, E-Mail-Verkehr und Telefonate. Wichtig für das Gelingen war, dass das Museum und sein Bereich Kunstvermittlung hinter dieser Arbeit standen, dass der Künstler selbst aufgeschlossen war und einbezogen werden konnte. Christopher Lehmpfuhl nahm sich Zeit für ein Video-Gespräch mit der im Schloss Gottorf versammelten Fokusgruppe. Dr. Ingo Borges als Kurator unterstützte die konzeptionelle Arbeit in großer Aufgeschlossenheit.
Zunächst wollte Julia Brunner von der Fokusgruppe wissen, was für die blinden und sehbehinderten Besucher wichtig ist, um eine umfassende Teilhabe zu ermöglichen. Die dabei zusammengetragenen Aspekte wurden dann in Planungsmodule übernommen. Im folgenden wird auf diese Elemente näher eingegangen.
Audioführung mit Statements des Künstlers, Bildbeschreibungen und Orientierungshinweisen
Unstrittig war, dass es einen Audioguide geben musste. Reizvoll war, dass Christopher Lehmpfuhl selbst durch Statements zu den verschiedenen, in der Ausstellung gezeigten Aspekten daran teilnehmen würde. Damit war auch klar, dass die Produktion in Berlin stattfinden musste.
Weitere Komponenten sollten sein
- Beschreibungen zu ausgewählten Werken und
- Hinweise für die Orientierung innerhalb des Ausstellungsraums.
Die Gruppe setzte als Prämisse, dass es zu jeder Station auch eine Werkbeschreibung geben sollte.
Mit der Studioproduktion wurde auf Empfehlung von Andersicht Anke Nicolai beauftragt. Sie hätte auch Autorinnen für die Audiodeskription vermitteln können, doch hatten wir diese Kompetenz bereits selbst an Bord. Anke Nicolai gehörte schon in den 2000er Jahren zum Nordteam der Filmbeschreiber um Hela Michalski. Hela Michalski (auch stellv. Vorsitzende von Andersicht) gehört zum Fokusteam. Die blinde Hörfilmautorin hat die Werkbeschreibungen für diesen Audioguide gemeinsam mit Julia Brunner erarbeitet, für die das, wie sie mehrfach und begeistert sagte, eine sehr wichtige Berufserfahrung wurde. Hier als Kostprobe eine der so entstandenen Bildbeschreibungen.
Der ganze, sehr hörenswerte Audioguide kann bis zum Ende der Ausstellung hier abgerufen werden.
Eine Frage, die wir frühzeitig aufwarfen und mit den Erfahrungen von Andersicht auch umfassend ausleuchten konnten, war die nach der medialen Verfügbarkeit des Audioguides. Das Museum wollte eine Web-Applikation, also einen Guide, der mit jedem auf PCs, Tablets und Smartphones verwendeten Browser benutzt werden kann. Uns war wichtig, dass dieser gut bedienbar sein müsste in
- Nutzbarkeit aller enthaltener Informationen und Bedienelemente auch per Screenreader – im Falle des am weitesten unter blinden Nutzern verbreiteten iPhone ist das VoiceOver;
- einfache, nachvollziehbare Struktur der Benutzeroberfläche;
- leichte Auffindbarkeit und Aufrufbarkeit des eGuides.
Länger diskutiert wurde die alternative Aufrufbarkeit der einzelnen Stationen des Rundgangs per QR-Code. Hierfür wurde dann in Konsultation mit weiteren Praxispartnern eine leicht nachvollziehbare Umsetzung gewählt. Die QR-Codes wurden auf dem Fußboden rechts neben lang gestreckten Aufmerksamkeitsfeldern im taktilen Bodenleitsystem so aufgebracht, dass sie mit der Kamera des Smartphones erkannt werden, ohne dass es nötig wird, genau auf ein kleines Code-Feld zu zielen. Das funktioniert auch tatsächlich.
Wir drängten sehr darauf, die angebotene Browser-App rechtzeitig blind testen zu können. Das erwies sich als unbedingt richtige Vorkehrung. Tatsächlich gab es Nachbesserungsbedarf.
Zwar ist die Benutzung des Smartphones unter blinden Menschen als Kulturtechnik sehr weit verbreitet und wird recht gut beherrscht. Uns war es dennoch wichtig, eine Alternative anbieten zu können, die noch einfacher zu handhaben ist. Inzwischen hat die Nutzung von Hörbüchern einen hohen Standard erreicht. Hörbüchereien bieten sie an als Bestellung per Download. Diese gemeinnützigen Hörbüchereien sind organisiert in der Mediengemeinschaft für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen e. V. (Medibus). Unser Ansprechpartner dabei war die Norddeutsche Blindenhörbücherei (NBH) mit Sitz in Hamburg. Weil die Inhalte schon vorhanden waren, hielt sich die Nachbearbeitung in Grenzen. Die sog. DAISY-Struktur war noch darüber zu legen, das bedeutet eine Indexierung und Hierarchisierung für eine Navigation zwischen Überschriften verschiedener Ebenen und sogar einzelnen Sätzen. Das ist mittlerweile mit maschineller Unterstützung zu machen.
So ein DAISY-Hörbuch kann übrigens auch mit einfachen MP3-Playern genutzt werden. Der Audioguide zur Christopher-Lehmpfuhl-Ausstellung wurde also ganz rasch als DAISY-Hörbuch aufbereitet und durch die NBH als ZIP-Archiv zum Download bereit gestellt. Wir können uns vorstellen, dass derartige Audioguides künftig ins reguläre Ausleihverfahren per Katalog einbezogen werden.
Orientierungskonzept mit Bodenleitsystem, akustischen Wegbeschreibungen und taktilen Lageplänen
Neben der Zugänglichmachung inhaltlicher Informationen ist die Orientierung das zentrale Thema bei einem Ausstellungsbesuch blinder bzw. hochgradig sehbehinderte Besucher. Innerhalb der Ausstellung ist es hilfreich, wenn sich blinde Menschen selbständig bewegen können. Entweder sie kommen ohne sehende Begleitung oder sie möchten selbstbestimmt durch die Ausstellung gehen und ihrer Begleitung auch mal einen Freiraum geben.Bodenleitsyste
Weil wir immer auch überlegen, wie sich der Nutzen von Spezialmaßnahmen im Sinne eines Designs für alle maximieren lässt, brachten wir mit Erfolg den Vorschlag ein, die Verlegung eines Bodenleitsystems mit dem Orientierungsbedarf für die Gesamtheit der Besucher zu verknüpfen. Die Idee war, die Leitstreifen so zu verlegen, dass sie auch als Abstandsempfehlung zu den Kunstwerken zu verstehen sind.
Orientierungshinweise für blinde Ausstellungsbesucher
Nun machen Leitlinien an sich keinen Sinn, wenn wir nicht wissen, wohin genau sie uns führen sollen. Diese Informationen wurden in den Audioguide integriert. Hier daraus zwei Beispiele. Zunächst die Überblicksbeschreibung, die den blinden Besuchern eine räumliche Vorstellung vom Gebäude vermittelt.
Nachdem zu jeder einzelnen Station die Werkeinführung von Christopher Lehmpfuhl und die Audiodeskription zu einem ausgewählten Kunstwerk zu hören waren, folgt jeweils ein Orientierungshinweis, der hilft, zur nächsten Station zu gelangen. Dafür hier ein Beispiel.
Wegbeschreibungen
Zum Servicepaket, das wir gemeinsam schnürten, gehören auch Hinweise für die Anreise. Hierbei kam es uns darauf an, dass möglichst alle wesentlichen Optionen berücksichtigt würden:
- Die Zielgruppe ist differenziert in blinde Besucher, die allein reisen oder in Begleitung;
- Blinde Besucher, die sich mit dem Langstock orientieren oder mit einem Führhund unterwegs sind;
- Besucher, die mit der Bahn anreisen und dann mit dem Bus zur Schlossinsel fahren;
- Reisende, die vom Bahnhof ein Taxi bevorzugen;
- Menschen, die mit einem Auto auf die Schlossinsel gebracht werden.
Die Wegbeschreibungen hat dann ein Team von Andersicht e. V. erstellt. Es bestand aus dem sehenden Rehabilitationslehrer Karl Elbl und dem blinden Stockgänger Jürgen Trinkus.
Andersicht hat schon zahlreiche Wegbeschreibungen gestellt und geht auf dieses Thema in einem gesonderten Beitrag ein.
Tastobjekte und Mitmach-Angebote
Tastobjekte
Das Budget sah vor, zwei Bildwerke in tastbare Objekte umzusetzen. Die Fokusgruppe entschied in einer gründlichen Diskussion, welche Werke umgesetzt werden sollten. In der Diskussion spielte eine wesentliche Rolle, welche prägenden Momente aus Lehmpfuhls Exponaten sollen sinnfällig gemacht werden und welche eignen sich dafür. Expressivität und Gestaltungstechniken sollten fühlbar werden. Es war klar, dass dies nur möglich wird, wo vereinfachende Darstellungen vertretbar und zielführend sind und bei der Umsetzung ein Maximum an Gestaltungsmomenten vermittelt werden kann.
Die Entscheidung fiel für ein Werk aus dem Bereich der Berglandschaften und eines aus den Stillleben.
Die Aufträge wurden dann ausgeschrieben, und die Bewerbungen zweier Agenturen wurden durch die Fokusgruppe diskutiert. Als die Entscheidung für Inkl. Design gefallen war, wurden die Umsetzungskonzepte in einer Videokonferenz mit der Agentur diskutiert. Anregungen und Wünsche aus der Gruppe fanden Eingang in die endgültige Gestaltung der ausgewählten Objekte.
Die Audiodeskriptionen zu den Tastobjekten verdeutlichen, worauf es ankam.
Besonders intensiv hat sich die Fokusgruppe mit dem Tastmodell Gläser-Stillleben auseinandergesetzt, ging es doch darum, Perspektive handgreiflich zu machen. Das ist ein besonders schwieriges Ding für Früherblindete, die nicht auf eigene Seherfahrung zurückblicken können.
Der Mitmach-Raum
Das Landesförderzentrum Sehen war direkt beteiligt durch die zwei Kunsterzieherinnen und Sonderschulpädagoginnen im Ruhestand Barbara Wolter und Susann Lokatis-Dasecke. Im Jahr 2008 erschien ihr Standardwerk Gemeinsam kreativ: Integrativer Kunstunterricht mit blinden Schülerinnen und Schülern bei der Edition Bentheim. Ihr Beitrag zur Lehmpfuhl-Ausstellung war vor allem die Gestaltung eines „Mitmach-Raums“. Darin wurden Formen und Farben aus den Gemälden der Ausstellung tastbar gemacht, sodass sich interessierte Besucherinnen und Besucher mit dieser anderen Wahrnehmungsweise auseinandersetzen können und die Möglichkeit zu eigenen Tast-Erfahrungen bekommen.
Weitere Handreichungen
Blinde Ausstellungsbesucherinnen und -besucher können mit ihren Tickets auch eine kleine Übersichtsbroschüre in Brailleschrift und einen Lageplan für die Schlossinsel und das Ausstellungsgebäude Reithalle erhalten. Die Infobroschüre gibt es auch im Großdruck. Die Braillebroschüre wurde vom Blindeninformationszentrum BLIZ des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Hamburg gedruckt. Der Lageplan wurde von Inkl.Design entworfen und im Landesförderzentrum Sehen als Schwellkopie vervielfältigt.
Personalschulungen
Der Umgang mit blinden oder hochgradig sehbehinderten Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern ist für freie und feste Museumsmitarbeiter nicht unbedingt alltäglich.
Sowohl Andersicht als auch der BSVSH boten solche Schulungen an, die von den festen und freien Museumsmitarbeitern auch genutzt wurden.
Solche Schulungen helfen sehr wesentlich, Unsicherheiten im Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen abzubauen.
- Wie spreche ich eine Person an, die mich nicht sieht?
- Wie erkläre ich einen Raum einen Weg?
- Wie begleite ist nichtsehende Menschen durch eine Tür, über eine Treppe zu einem Objekt?
- Wie stelle ich Körperkontakt zu einem Objekt her, was ertastet werden kann?
Diese und viele weitere Fragen werden vom erfahrenen und bewährten Andersicht-Schulungsteam Dolle/Lossmann in Verbindung mit viel Wissenswertem über Blindheit und Sehbehinderung in praktischen Übungen vermittelt, was unter Pandemie-Bedingungen leider nur sehr eingeschränkt möglich war.
Ein kleines Fazit
In die inklusive Gestaltung der Christopher-Lehmpfuhl-Ausstellung ging eine Vielzahl von Leistungen ein, die gründlich mit Experten in eigener Sache besprochen und auf deren Bedürfnisse hin optimiert wurden. Auch bei der Wahl der Dienstleister wurden Ratschläge aus der Fokusgruppe dankbar geprüft und oft auch berücksichtigt. Dank der Kontakte und Erfahrungen mehrerer Fokusgruppenmitglieder darf am Ende resümiert werden, dass auch alle Leistungserbringer gute Arbeit lieferten.
Das Ergebnis der Arbeit kann sich sehen, hören und fühlen lassen.
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05.05.2021: Online Kunstführungen dreisinnig
Lässt sich Kunst, die zu den Augen spricht, alternativ vermitteln, damit auch Menschen, die nicht sehen können, einen Zugang finden? Erklärungen und anschauliche Beschreibungen leisten einiges, um Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Wenn darüber hinaus Strukturen und Darstellungen greifbar gemacht werden, wirken die Schilderungen nachhaltiger, werden verankert, geerdet. Davon sind wir überzeugt.
Was wir dazu in unserem Workshop mit der Kunsthalle Kiel deutlich machen wollten: die „Handarbeit“ an Tastobjekten ist kaum ein „Selbstläufer“. Während die Visuelle Erschließung vom umgreifenden Zugriff aufs Ganze in die Details fortschreitet, muss die taktile Wahrnehmung zunächst die Details erkunden, um daraus das Gesamtbild zu formen. Dabei ist der motorische Zugriff auf die Formen und Texturen gröber als die Detaildurchdringung per Auge, (sofern sie denn stattfindet). Ohne Orientierungshilfe ist das mühevoll selbst dann, wenn die Tastvorlagen schon generalisiert, also auf Wesentliches reduziert werden. Daher ist es wichtig, dass die Kunstvermitelnden die Tastarbeit der Teilnehmenden konkret begleiten können.
Hier kommen konventionelle online-Führungen an ihre Grenzen. Das mussten wir auch beim Kieler Workshop erkennen. Die blinden Teilnehmer hatten vor sich Tastkopien der besprochenen Gemälde, und der Kunstvermittler Philipp Schramm, der online zugeschaltet war, führte die Handerkundung ohne selbst sehen zu können, was die Geführten tatsächlich tun.
Die Idee
Auf die passende Lösung kam unser Mitglied, der blinde Mathematikstudent Niels Luithardt. Da heutzutage das Smartphone zur Grundausstattung der meisten blinden und sehbehinderten Menschen gehört, können die persönlichen Geräte als zusätzlcihe Kameras eingesetzt werden. Wird ein Stativ benutzt, lässt sich die Kamera sehr gut oberhalb der Fläche positionieren, auf der die taktile Erkundung stattfindet.
Die für die Werkerschließung hergestellten Tastkopien werden den blinden Teilnehmerinnen und Teilnehmern zugeschickt.. Diese melden sich zur Führung über das Konferenzsystem (z. B. Zoom) zum einen über ein Gerät für die Face-to-Face-Kommunikation an und zum anderen mit dem Smartphone, dessen Kamera auf die tastenden Hände schaut.
Die Umsetzung
M. A. Philipp Schramm hat während der gesamten Zeit der Reise- und Kontaktbeschränkungen Kunstführungen angeboten, bei denen seine Erläuterungen und Beschreibungen im Gespräch mit den Zuhörenden ihre volle Wirkung entfalten. Mit drei von seinen Stammbesuchern wurde die Kamera gestützte Ergänzung durch taktile Arbeit am Anschauungsobjekt ausprobiert. Das Ergebnis begeisterte alle Beteiligten.
Als sich nun die Möglichkeit ergab, diese Arbeitsweise im Rahmen der Jahrestagung der Fachkreise des Deutschen Museumsbundes vorstellen zu können, hat sich Philipp Schramm für das Iwalewahaus Bayreuth erfolgreich für eine Präsentation beworben. Diese erfolgte dann am 5. Mai 2021. Das Präsentationsvideo wurde mittlerweile veröffentlicht auf den Internetseiten der Bayrische Forschungs- und Informationsstelle – Inklusive Hochschulen und Kultureinrichtungen BayFinK, Universität Bayreuth Hier kann es angeschaut werden.
Und hier ist eine Workshop-Dokumentation unserer Tastarbeit.
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16.08.2020: Handgreiflicher Gang durch den Skulpturengarten der Kunsthalle Kiel
Vorgeschichte
Als sich die Kunsthalle Kiel auf den Weg machte, um sich auch für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher zu öffnen, kam es fast unvermeidlich zum Kontakt zwischen den Kolleginnen der Kunstvermittlung und unserem Verein für hör- und tastsinnige Projektarbeit. Wir knüpften gemeinsam die Kontakte und diskutierten die Möglichkeiten.
Der Einstieg
Im Januar 2020 gab es die erste Führung, liebevoll vorbereitet vom Kunsthallenteam. Die Kunstführerin Michaela Wilk schaffte es, zu den ausgewählten Werken einen Zugang über alle Sinne zu schaffen. Mit den vorbereiteten Tastobjekten, vor allem den Tastzeichnungen zu ausgewählten Gemälden, gab es die für Fachleute vorhersehbare Einsicht, dass eine fühlende Hand kaum komplexe Darstellungen erfassen kann und sich so etwas wie Perspektiven kaum vermitteln lassen.
Schnell entstand eine Idee: Lasst uns gemeinsam die Möglichkeiten der tastsinnigen Zugänglichmachung von Kunst, die zum Sehen gemacht ist, ergründen und dafür einen Workshop organisieren, der auch Interessierten von anderen Museen offen stehen soll und somit die Kompetenzen im Land noch besser vernetzt.
Die Sommerführung
Für ein Gruppenfoto rückten die Dabeigewesenen dann doch mal kurz zusammen – aber im lichten, offenen, luftigen Raum und mit den Gesichtern nicht einander, sondern der Kamera zugewandt.
Liste der handgreiflich erkundeten Werke im Skulpturengarten
Wir greifen hier zurück auf die Plattform kunst@sh. Auch mit deren Schöpfern haben wir noch gemeinsame Absichten, die schon länger auf Umsetzung warten.
- Bård Breivik: Tor (Diabas, 1989)
- Per Kirkeby: Ziegelsteinplastik (Ziegel, Zement, 1986)
- Alf Lechner: Tetraeder-Subtraktion mit Ring (Stahl, 1987)
- Bjørn Nørgaard: Eisenmann (Gusseisen, 1984)
- Karl Prantl: Stein zur Meditation (Labradorgranit, 1986)
Nach einer längeren, durch den Corona-Lockdown bedingten Pause, wurde wieder zu einer Führung in den Skulpturengarten eingeladen, der zur Kunsthalle gehört.
Dank eines Tourguide-Systems war die Stimme von Michaela Wilk immer nahe an den Ohren der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, auch wenn sie sich weitläufig auf Distanz im Gelände bewegten. Die Handgreiflichkeit der Objekte mit den hinführenden Erläuterungen der Kunstvermittlerin schufen eine Erlebbarkeit, die sich bestimmt nachhaltig in die Erinnerung aller einschrieb. -
17.05.2020 Digital zum internationalen Museumstag
andersichtige Führungen, heute im Iwalewahaus Bayreuth
Berührt geführt – heißt der Leitspruch, unter dem sich der Kunsthistoriker Philipp Schramm schon lange um die Zugänglichmachung bildender Kunst für Menschen engagiert, die nicht mit eigenen Augen auf Entdeckungsreise gehen können. Seit einigen Wochen bietet er via Skype Touren durch die Museen dieser Welt an. Zum internationalen Museumstag 2020 führte er live durch die im Aufbau befindliche Sommerausstellung des Iwalewahauses, wo er derzeit selbst aktiv beteiligt ist am Aufbau der Sommerausstellung.
Digitale Museumsführungen sind nichts Einzigartiges mehr seit eine Pandemie den realen Ausstellungsbetrieb heruntergefahren hat. Eine virtuelle Führung auch für blinde und sehbehinderte Menschen dagegen ist so selbstverständlich nicht. Seit einigen Wochen bietet Philipp Schramm für Interessierte Online-Treffs per Skype an. Blinde wie sehende Teilnehmer saßen bei diesen Video-Schalten gleichermaßen gebannt vor ihren heimischen Computern, um sich in den Prado, das Metropolitan, das Musee d’Orsay und die Uffizien in Florenz führen zu lassen. Zum internationalen Museumstag hatte er ein ganz besonderes Event auf die Tagesordnung gesetzt.
Diejenigen in Hessen oder im weiter entfernten Schleswig-Holstein, die sich per Videochat zugeschaltet hatten, wurden von Philipp Schramm, seiner Chefin Katharina Fink und dem Kurator Francis Regis Hitimana im Iwalewahaus begrüßt und durch Arbeits- und Ausstellungsräume geführt. Verschiedene Exponate wurden besprochen und lebendig beschrieben.
Besonderer Stolz der Ausstellungsgestalter, die sich der Inklusion sehr verpflichtet fühlen, ist ein Bodenleitsystem für Blinde, das mit seinem praktischen Nutzen zugleich in die Raumästhetik der Ausstellungsräume integriert ist.
Das imaginäre Museum – so soll es digital weiter gehen
Philipp Schramm hat in mehreren Sessions seine Technik vervollkommnet und ist nun in der Lage, reale und virtuelle Museumsbesuche online inklusiv zu präsentieren.
Bei der Namensgebung für sein Angebot ließ sich Philipp Schramm von einem Essay des Schriftstellers und einstigen französischen Kulturministers André Malraux anregen. Dieser hat 1947 das Musée Imaginaire als inklusives europäisches Forum beschrieben. Ein Ort der Begegnung und des Austausches, ein Ort der Visionen und der grenzüberschreitenden Kommunikation. Malraux‘ Ideale kommen unserer Vorstellung von Museum ziemlich nahe, meint Philipp Schramm, der dieses Angebot mit seiner Firma „berührt-geführt“ ausbauen wird.
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27.04.2020: Fernsicht durch Andersicht
Ist es möglich, einen Aussichtspunkt inklusiv zu gestalten? Diese Frage stand am Beginn einer innovativen Entwicklung in unserem Projektverein Andersicht.
In der Gemeinde Nordstrand fanden wir einen aufgeschlossenen Partner. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit war gewachsen bei der Entwicklung des barrierefreien Weges auf der Krone des neuen Klimadeichs. Dessen Stationen sind bereits in unserem sprechenden Deichkiek so beschrieben, dass auch blinde Menschen diesen Weg selbständig erkunden können.
Was hier entwickelt wurde, soll allen Besuchern der Insel- und Halligwelt nützlich sein. Wer durch das Fernrohr blickt, bekommt erzählt, was er vor den Augen hat – und sogar bei schlechter Sicht erfahren die Interessierten, was sie sehen könnten, wenn die Sicht ungetrübt wäre.
Die Beschreibungen sind mit dem Anspruch entstanden, dass auch blinde Besucher ein Bild von der amphibischen Landschaft bekommen.
Die Beschreibungen in Form von Hörtexten können ausgelöst werden durch die Drehbewegungen des Fernrohrs, aber auch durch die Finger, der die Landschaft auf der beigestellten Relieftafel erkunden.
Möglich wurde die Herstellung des dreisinnigen Aussichtspunktes durch die Förderung aus Mitteln des Fonds für Barrierefreiheit durch den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein und mit Ko-Finanzierung durch die Gemeinde Nordstrand.
Hier die Mitteilung auf den offiziellen Seiten von Schleswig-Holstein.de.
Nachtrag aus gegebenem Anlass
Eigentlich sollte es Ende April eine feierliche Einweihung geben. In den Corona-Zeiten war dies leider nicht möglich. Aber wenn nun bald die Touristen kommen, erwartet sie ein komplettierter Panoramaweg mit Infotafeln und Verweilplätzen und nun eben auch dem einzigartigen Fernrohr.